Sich aufrichten.

Blockaden lösen.

Körpertherapie

Beispiele für die Entstehung von Verspannungen

Physisch

Herr X verletzt sich beim Sport, einige Fasern seines Oberschenkels sind angerissen. Dies passiert viel öfter, als man es bewusst wahrnimmt. In der Folgezeit hat er starke Schmerzen, sobald er den Oberschenkel vollständig anspannen will. Automatisch lernt sein Körper, welche Bewegungen weh tun und welche nicht, und infolge dessen vermeidet er die schmerzhaften Bewegungen. Sein Körper macht „einen Umweg“ um die verletzten Fasern, meistens dadurch, dass die direkt umliegenden Fasern angespannt werden, damit die verletzten unbeweglich eingebettet liegen und heilen können.

Für die Gesamtbewegungsabläufe (das sogenannte Körperschema) hat das weitreichende Folgen. Denn nun ist ein Muskel kürzer als der andere, das muss ausgeglichen werden, sonst würde man nur hinkend laufen oder gar umfallen. Der Körper reagiert viel schneller, als das Bewusstsein dies erfassen kann, und spannt die im Gesamtschema gegenüberliegenden Muskeln an, um eine Balance zu schaffen. Es ist eine neues Körperschema entstanden, das eine mehr oder weniger harmonische Bewegung ermöglicht und zugleich den Schutz des Muskels gewährleistet.

Am Anfang, je nach betroffenem Muskel Minuten bis Tage, spürt Herr X noch die schützende Anspannung der Muskeln. Dies lässt relativ schnell nach, denn es ist eine Information, die dauerhaft „stören“ würde. Diesen Vorgang nennt man Adaptation und das macht der Körper mit allen dauerhaften Sinneseindrücken, ein Ausblenden der Wahrnehmungen, die dauerhaft bestehen.

Nun heilt der Muskel von Herr X, die Schutzhaltung bleibt jedoch bestehen, genauso das veränderte Körperschema, die Balance der Muskelanspannungen. Sein verletzter Oberschenkel, der andere Oberschenkel sowie Teile der Schulter- und Rückenmuskulatur bleiben verspannt. Früher oder später vergisst der Körper das alte, frei bewegliche Schema, somit hat man noch nicht einmal mehr das Bewusstsein darüber, dass dort eine Verspannung besteht. Durch Körperarbeit und gezielte neue/alte Bewegungen kann man jedoch das Schema wieder in das alte, gesunde überführen.

Psychisch

Emotionen sind eng mit unserem Körper verbunden. Sie sind lokalisierbar, das bedeutet, dass es für jede Emotion Stellen am Körper gibt, „wo sie gefühlt wird“. Wenn Emotionen uns zu überfordern drohen, erreicht man eine starke Verminderung dieser Empfindung durch die Anspannung der jeweiligen Körperpartie. Dies passiert in den allermeisten Fällen instinktiv und damit vollkommen unbewusst.

Frau K. erlebt als Kind starke Wutanfälle ihres Vaters, wenn er sie anschreit, geht es ihr buchstäblich durch Mark und Bein. Sie hat große Angst während dieser Ausbrüche. Eine körperliche Reaktion ist es, die Schultern hochzuziehen, um den empfindlichen Hals zu schützen. Da sie als Kind nie weiss, wann der nächste Ausbruch passiert, spannt sie die Schultern immer öfter an. Das „Schultern-Hochziehen“ wird zu einer dauerhaften Schutzhaltung. Dadurch verlagert sich der Gesamtschwerpunkt des Körpers nach oben, was der Körper mit einer erhöhten Anspannung in den Waden ausgleichen muss. Ihr Gefühl ist das des „Ungeerdetseins“, da sie nicht mehr locker auf der Erde steht, sondern sich in ihrem Erleben „festkrallen“ muss, um nicht umzufallen.

Da dies in der Kindheit passiert, erlebt sie bewusst das Leben insgesamt durch das Erfordernis des „sich Schützens“ als auch des „sich am Boden Festkrallens“, dies wird sozusagen zu ihrer ersten Natur. Das hat weitreichende Folgen für das Selbstverständnis als auch für das Bild, das man von Leben und Welt hat.

In diesem Fall wird eine reine Körperintervention, die ihre Muskeln lockert, die die Schultern oben halten, im Ansatz nicht ausreichen. Denn sie wird diese Muskeln unbewusst sofort wieder anspannen, weil es das „normale“ Körperschema ist, das sie kennt. Ein Bewusstsein über das „Warum“ des Anspannens muss entstehen, als auch die getiefte Erfahrung, dass zum jetzigen Zeitpunkt diese Schutzhaltung nicht mehr notwendig ist, da sie als Erwachsene viele andere Möglichkeiten besitzt, um sich zu schützen. Dies ist ein Reorganisationsprozess auf vielen Ebenen, der zwangsläufig auch die Persönlichkeit „entspannt“ und befreit.